Einstieg in die vegaflexe Ernährung

Gesund sein – das bedeutet für mich vor allem, dass ich mich gesund ernähre. Und zwar so, dass ich das Essen geniessen kann, weil es den Körper mit wichtigen Nährstoffen versorgt, weil es schmeckt, weil die Lebensmittel möglichst natürlich sind und weil sie die Umwelt nicht oder möglichst wenig belasten. So bin ich zur veganen Ernährung gekommen, weil sie diese Kriterien erfüllt. Trotzdem ist vegane Ernährung für mich noch nicht das A und O. Nach 3,5 Jahren habe ich angefangen, in moderatem Mass auch wieder ein paar tierische (Bio-)Produkte zu essen. Ich möchte dir anhand meiner Erfahrung die Vorteile von pflanzenbasierter Ernährung aufzeigen und Tipps geben, wie du vegane Rezepte ausprobieren kannst. Gleichzeitig möchte ich aber auch die kritischen Aspekte rein veganer Ernährung nennen und dir Anregungen zu meinem neuen Konzept „vegaflex“ geben. Das bedeutet für mich 70% pflanzlich zu essen plus 30% tierisch.

Ernährung ist etwas sehr Individuelles. Was der einen guttut, bekommt der anderen weniger. Ausprobieren ist also gefragt!

Je nach deiner Lebenssituation ist es auch wichtig zu beurteilen, wie du dein Ernährungskonzept in den Alltag integrieren kannst. Viele Rezepte, die man im Web oder in Kochbüchern findet, sind zwar wunderschön anzuschauen, aber nicht jede hat Zeit, stundenlang in der Küche zu stehen und zu basteln. Deshalb muss es bei mir zum Beispiel einfach und praktikabel sein, aber selbst gemacht und weitgehend ohne Fertigprodukte. Es gibt aber durchaus ein paar Fertigprodukte, die ich ausprobiert habe und die ich verwende wie z.B. Blätterteig oder Hülsenfrüchte aus dem Glas. Auch diese Erfahrungen möchte ich weitergeben.

Herausforderungen in der Familie bzw. beim Zusammenleben mit anderen

Ich lebe in häuslicher Gemeinschaft mit zwei Omnivoren, d.h. mein Mann und mein Sohn essen gerne Fleisch, sind aber auch aufgeschlossen für vegane und vegetarische Varianten. Das bedeutete für mich in der Praxis meiner 100% veganen 3.5 Jahre, dass ich oft am Abend zwei verschiedene Gerichte zubereitet habe. Eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Deshalb darf es wie gesagt bei mir nicht allzu aufwändig sein. Mein Tipp: Wenn du mit einer nicht-veganen bzw. nicht-vegetarischen Familie zusammenlebst, kannst du trotzdem vegane Rezepte ausprobieren. Zum einen gibt es viele Rezepte, die auch Nicht-Veganern schmecken, zum anderen gibt es genügend Gerichte, die man sozusagen parallel zubereiten kann. Darin habe ich viel Übung und Erfahrung und es klappt wunderbar. Am besten natürlich, wenn dir andere Familienmitglieder zur Hand gehen, wie es bei mir auch der Fall ist.

Zugegeben: Seitdem ich selbst auch ab und zu wieder „Tierisches“ esse, ist es in der Küche etwas entspannter. Ich muss nicht vier Pfannen und Töpfe gleichzeitig „bedienen“.

Wenn du allein lebst, ist die Sache mit dem Ausprobieren der veganen Rezepte natürlich noch einfacher, weil du dann nicht noch etwas anderes parallel zubereiten musst.

Das Konzept meiner vegaflexen Ernährung

Vielleicht hast du dich schon mit meinen Tipps zum Abnehmen und Figurhalten beschäftigt? Dann weisst du, dass es wichtig ist, eiweissbetont zu essen bzw. am Abend auf stärkehaltige Kohlehydrate zu verzichten. Ich mache das schon seit zehn Jahren – und es ist mir so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenke, ob ich abends Pasta esse. Ich kann ja problemlos am Mittag Pasta essen, wenn ich das möchte.

Meine Rezepte sind deshalb so konzipiert, dass die Abendgerichte ohne Kohlehydrate aus Stärke sind, also ohne Pasta, Reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchte. Viele vegane Rezepte, die man im Netz findet, sind sehr kohlehydratbetont. Auch wenn man abends essen geht und vegan essen möchte, bekommt man meistens kohlehydratlastige Gerichte wie Pasta, Risotto, Bratlinge aus Kartoffeln bzw. Hülsenfrüchten oder Falafel angeboten. Deshalb ist Selberkochen tatsächlich die beste Lösung. Eine Ausnahme bei den veganen Kochbüchern sind die Rezepte von Attilla Hiltmann. Diese sind ebenfalls in der Abendvariante ohne Kohlehydrate. Allerdings sind sie für meinen Geschmack recht aufwändig und verwenden zu viel Fett (Mandelmus, Cashewmus).

Meine Rezepte müssen einfach sein und mit wenigen Zutaten auskommen. Deshalb gibt es abends bei mir Variationen aus knackigem Gemüse mit pflanzlichem Eiweiss wie Seitan, fermentiertem Tofu oder Pilzen oder eben Geflügel, Fisch oder Käse. Auch ein Grund, warum ich nach 3.5 Jahren der 100% veganen Ernährung auf mein Konzept vegaflex umgestellt habe:  nur pflanzliches Eiweiss (Tofu, Seitan, Pilze oder allenfalls noch Lupine) mit Gemüse war mir auf die Dauer zu eintönig. Warum sollen nicht auch Kombinationen von vegan, vegetarisch und mal Fleisch möglich sein? Ich halte nichts von Schwarz-Weiss-Denken. Vor allem: Das Essen soll dir Freude machen und schmecken. Also probier es aus. Warum nicht einfach mal mit zwei veganen Mahlzeiten pro Woche beginnen?

Grundwissen und Grundzutaten bei veganer Ernährung

Wenn du beginnst, dich vegan zu ernähren, solltest du dich mit wichtigen Ernährungsgrundlagen vertraut machen. Immer wieder hört man in den Medien und im Bekanntenkreis Schauergeschichte über angebliche Mangelerscheinungen bei veganer Ernährung. Ich habe nach 3.5 Jahren rein veganer Ernährung keine Mangelerscheinungen gehabt, wie die Überprüfung meiner Blutwerte zeigte, sonst hätte ich wohl auch nicht 40 bis 50 km pro Woche laufen können. Ausser, dass mein Eisenwert sehr niedrig war, was jedoch generell bei Frauen oft der Fall ist.

Wichtig zu wissen ist, dass du eine ausreichende Menge Eiweiss brauchst. Man darf nicht einfach nur noch „Beilagen“ – also Kohlehydrate – essen und Fleisch, Fisch, Geflügel, Eier und Milchprodukte weglassen. Das tierische Eiweiss muss durch pflanzliches Eiweiss ersetzt werden. Pflanzliche Eiweissquellen sind:

  • Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Kichererbsen)
  • Lupinen
  • Sojabohnen, Tofu, Sojaschnetzel
  • Seitan (als Pulver zum Selbermachen)
  • Pilze
  • Nüsse

Davon sollte man täglich zwei Portionen essen, neben reichlich buntem Gemüse. Bei Kohlehydraten achte ich auf Vollkorngetreide, das ebenfalls Eiweiss enthält. Kombiniert wird das Ganze mit gesundem Fett, wie z.B. Rapsöl (hoher Omega-3 Gehalt), Leinöl (kalt im Smoothie), Kokosöl zum scharfen Anbraten und Olivenöl für Salate und zum Verfeinern.

Pflanzliches Eiweiss gibt es auch in Form von Pulver, z.B. Mandelprotein, Erbsenprotein, Sesamprotein und Lupinenprotein. Hier sollte man sich aber unbedingt die Zutatenliste anschauen und sicherstellen, dass nicht grössere Mengen an Zucker bzw. Kohlehydraten darin enthalten sind. Bei mir kommt oft ein Löffel Sesam- oder Erbsenprotein in den grünen Smoothie.

Ein fester Bestandteil meiner Ernährung sind Nussmuse: Mandelmus und Cashewmus habe ich immer auf Vorrat. Zum einen kann man sie als Brotaufstrich verwenden bzw. daraus würzige Brotaufstriche selbst kreieren (siehe Rezepte). Zum anderen kann man damit wunderbar cremige Sossen und Suppen machen.

Was ich immer im Haus habe, ist:

  • Mandelmus
  • Cashewmus
  • Nüsse (Mandeln, Walnüsse, Cashewnüsse, Pinienkerne)
  • Kidneybohnen (im Glas)
  • Linsen
  • Kichererbsen
  • Leinöl (z.B. von BIO PLANETE orange oder pink)
  • Rapsöl (z.B. TEUTOBURGER ÖLMÜHLE normal und zum Heissbraten)
  • Kokosöl
  • Olivenöl
  • Margarine (z.B. ALSAN – zum Backen)
  • Gewürze
  • Kala Namak (Salz mit Schwefelaroma, für den Ei-Geschmack)
  • Hefeflocken
  • Mandelmilch
  • inzwischen eher weniger: fermentierter Tofu (Feto, Tempeh), Sojajoghurt aus fermentiertem Tofu (gibt es von ALNATURA)

Ich verwende ausschliesslich Bio-Produkte. Gewürzmischungen z.B. benutze ich von BRECHT oder SONNENTOR. Auch dabei unbedingt darauf achten, dass keine Zusatzstoffe wie Zucker und Geschmacksverstärker enthalten sind.

Und natürlich kaufe ich ca. alle drei Tage frisches Gemüse ein, bio und möglichst saisonal/regional. Dinge wie Kartoffeln, Karotten, Sellerie und Äpfel habe ich ebenfalls immer im Haus, weil man sie problemlos etwas länger lagern kann.

Nahrungsergänzungsmittel

Kann man sich mit veganer Ernährung ausreichend mit Nährstoffen versorgen? Nach meiner Erfahrung ja, vorausgesetzt man ernährt sich vielfältig und mit genügend Eiweissquellen. Das Einzige, was man täglich zusätzlich nehmen sollte, ist Vitamin B12. Nach gängiger Lehrmeinung gibt es keine pflanzlichen Quellen, die eine ausreichende Versorgung mit B12 sicherstellen. Ich möchte da kein Risiko eingehen und nehme deshalb Tabletten bzw. die Zahnpasta mit B12 von SANTÉ.

Ab und zu nehme ich Eisentabletten, Zink bzw. am Abend Magnesium. Das habe ich allerdings auch schon vor meiner veganen Ernährung getan, weil meine Eisenwerte oft niedrig waren.

Problembereich Soja

Man liest immer wieder Negatives über Soja – und Soja ist nun einmal bei vielen veganen Rezepten eine Basiszutat. Beim Soja gibt es drei kritische Punkte:

  1. Soja kommt oft aus problematischer Produktion (z.B. Südamerika). Dabei werden grosse Flächen in Monokultur für den Sojaanbau verwendet, bei dem auch Gentechnik eine Rolle spielt.

Meine Lösung: Ich kaufe wenn, dann nur Bio-Sojaprodukte, möglichst mit Herkunftsdeklaration Europa.

  1. Soja enthält Phytoöstrogene, also hormonähnliche Substanzen aus Pflanzen.

Dies kann eine Wirkung auf den Hormonhaushalt haben. Dabei werden sowohl positive als auch negative gesundheitliche Effekte in Studien genannt. In gewissen Foren und Blogs geistern haarsträubende Behauptungen über Soja herum. Ich halte mich an das, was Experten zu dem Thema sagen. Sowohl der Ernährungswissenschaftler und Spezialist für vegetarische/vegane Ernährung Dr. Markus Keller als auch Fitnesspapst Prof. Ingo Froböse sehen beim Sojakonsum in Massen kein Problem.

Auf zahlreiche aktuelle Studien wird hier verwiesen: https://www.provegan.info/de/studien/allgemeine-studien/ist-soja-gesund-oder-schaedlich/
http://www.fitforfun.de/abnehmen/gesund-essen/soja/neueste-forschung-wie-gesund-ist-soja-wirklich_aid_6883.html

http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/tofu-seitan-tempeh-so-gesund-ist-fleischersatz-aus-soja-und-weizen-a-1009480.html

Video mit Prof. Froböse: https://www.youtube.com/watch?v=2lF6LBljRso

Meine Lösung: Ich habe meinen Soja-Konsum inzwischen ganz stark reduziert und esse wenn, dann nur noch fermentierte Sojaprodukte wie Feto-Tofu (neu von TAIFUN), Tempeh oder Soja-Joghurt aus fermentierten Bohnen von Alnatura – und das auch nicht mehr jeden Tag wie in den ersten Jahren, sondern höchstens ein- bis zweimal die Woche.

  1. Soja kann allergen wirken und Verdauungsprobleme wie Blähungen verursachen.

Viele Menschen vertragen Soja nicht gut und bekommen davon Blähungen. Auch ich habe auf die Dauer gemerkt, dass mir Soja nicht gut bekommt und setze vermehrt auf andere pflanzliche Eiweissquellen.

Mein persönliches Fazit

Die im Internet verbreiteten negativen Artikel über Sojabohnen verschweigen die in Studien belegten positiven Effekte von Soja. Es ist vermutlich wie bei allem: Die Dosis macht das Gift. Selbst Petersilie, Muskat, Cassia-Zimt oder Safran können in hohen Dosen giftig sein. Es gibt andere Bücher, die im Weizen die Ursache allen Übels sehen und grundsätzlich Kohlehydrate verteufeln. Und schliesslich sind die negativen gesundheitlichen Folgen von Fleisch- und Wurstkonsum ebenfalls in vielen Studien hervorgehoben worden. Trotzdem isst die grosse Mehrheit der Menschen noch immer Fleisch.

Nachdem ich anfangs viel nach den Rezepten von Attila Hiltmann gekocht und mich vor allem darum gekümmert habe, wie ich meinen Eiweissbedarf pflanzlich decken kann, stehe ich heute dem Thema Soja kritisch gegenüber.

Fertigprodukte aus Soja wie Tofuwurst meide ich ganz. Darin sind viel zu viele Inhaltsstoffe, Salz und Fett enthalten. Sojamilch schmeckt mir gar nicht. Da nehme ich stattdessen Mandelmilch. Die kann man auch wunderbar aufschäumen und als Latte Macchiato geniessen.

Deshalb: Locker bleiben und auf Vielfalt setzen, denn eine einseitige Ernährung ist sicher nicht gesund.